Christina Schulze Föcking: „Wir müssen konsequent in Kreisläufen denken. Mit intelligenten Lösungen können wir Gewässerschutz und eine rentable Landwirtschaft verbinden.“
Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking setzt sich für eine bessere Verwertung von Wirtschaftsdünger und eine Reduzierung des Einsatzes von Mineraldünger in der Landwirtschaft ein. „Damit deutlich weniger Kunstdünger auf unseren Feldern landet, müssen wir den Einsatz von Wirtschaftsdünger effizienter und attraktiver machen. Gülle, Gär-Reste aus Biogasanlagen und Stallmist sind, richtig eingesetzt, wertvolle natürliche Ressourcen. Mein Ziel ist es, Nährstoffkreisläufe durch eine optimale Wiederverwertung von organischem Dünger, energetische Nutzung und gegebenenfalls technische Aufbereitung konsequent zu schließen. Dadurch wird die Umwelt geschützt, und es werden Kosten gespart“, sagte die Ministerin im Rahmen einer Betriebsbesichtigung in Neuss.
Neuer Nährstoffbericht
Wie der Stickstoff- und Phosphat-Anfall aus Gülle und Mist in Nordrhein-Westfalen verteilt ist, zeigt der neu erschienene Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer NRW. In dem Bericht werden auf Kreisebene der Nährstoffzufuhr über Wirtschaftsdünger wie Gülle oder Mist die Nährstoffabfuhr durch die geernteten Pflanzen gegenübergestellt. Erst- und letztmalig veröffentlicht wurde der Nährstoffbericht im Jahr 2013.
Anders als noch im Jahr 2013 lag im Jahr 2016 kein Kreis über dem nach alter Düngeverordnung zulässigen Wert von 170 Kilogramm Stickstoff tierischer Herkunft je Hektar landwirtschaftliche Fläche. „Wesentlicher Grund dafür ist eine Zunahme des Transports von Wirtschaftsdüngern aus Regionen mit hohem Aufkommen in Regionen mit Nährstoffbedarf, vor allem Ackerbauregionen“, erklärte Dr. Martin Berges, Direktor der Landwirtschaftskammer NRW und zugleich auch für die Umsetzung des Düngerechtes verantwortlicher Landesbeauftragter.
Ebenfalls zeigt der Nährstoffbericht, dass die Nitratbelastung des Grundwassers in der Gesamtheit der Messstellen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahrzehnt leicht zurückgegangen ist. „Dies ist erfreulich. Allerdings haben wir nach wie vor Gebiete, in denen die Nitratgrenzwerte im Grundwasser überschritten werden“, sagte Schulze Föcking.
Novelle der Düngeverordnung
Schon jetzt ist absehbar, dass die Umsetzung der neuen Düngeverordnung einen entscheidenden positiven Beitrag zur Senkung der Grund- und Oberflächengewässer-Belastung leisten wird. Die neue Düngeverordnung gilt seit dem 2. Juni 2017. Der Bund schätzt die Einsparpotenziale auf circa 17 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. Die Landwirtschaftskammer NRW hat in den vergangenen Monaten rund 9.000 Landwirtinnen und Landwirte geschult. Mit Mitteln des Landes wurden EDV-Programme entwickelt, die die vorgeschriebene Dokumentation des Nährstoffmanagements auf den Betrieben erleichtern. Die Kontrolle der Umsetzung der Düngeverordnung wurde personell deutlich gestärkt; die Kontrollquote liegt im bundesweiten Vergleich mit Abstand am höchsten und beträgt etwa zehn Prozent der betroffenen Betriebe.
„Wir werden die neue Verordnung in Nordrhein-Westfalen konsequent umsetzen und durch weitergehende Maßnahmen in den Risikogebieten ergänzen“, sagte Schulze Föcking. So sei im Rahmen einer Landesverordnung geplant, die Sperrzeit bei der Ausbringung auf Grünland zu verlängern und Landwirte zu verpflichten, eigenen Wirtschaftsdünger vor der Ausbringung auf deren Nährstoffgehalt hin zu untersuchen und die Einarbeitungszeit von aufgebrachter Gülle in den Boden grundsätzlich auf eine Stunde zu begrenzen. Auch durch den Einsatz moderner Ausbringungstechnik, etwa durch eine gezielte Einarbeitung der Gülle in den Boden, kann der Verlust von Ammoniak deutlich gemindert werden. „Gülle wird zunehmend mit modernen emissionsmindernden und geruchsarmen Techniken wie hier auf dem Betrieb ausgebracht, deren Einsatz nicht zuletzt durch die Förderung des Landes eine erhebliche Verbreitung in der Praxis gefunden hat. Auch hierdurch können mineralische Düngemittel eingespart werden“, erläuterte Berges.
Auch eine geeignete Lagerung von Wirtschaftsdünger oder eine möglichst effiziente Fütterung tragen dazu bei, Nährstoffverluste in die Umwelt zu vermeiden und klimawirksame Methan- und Lachgasemissionen zu reduzieren. In Haus Düsse, dem Versuchs- und Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer, laufen derzeit Versuche zu extrem eiweiß- und phosphorreduzierter Ernährung von Mastschweinen an.
Stärker in Nährstoffkreisläufen denken
Den entscheidenden Schlüssel für eine umweltverträgliche und zugleich wirtschaftliche Nutzung von Gülle, Mist und Ernterückständen sieht Ministerin Schulze Föcking in geschlossenen Nährstoffkreisläufen: „Wir müssen konsequent in Kreisläufen denken – innerhalb eines Betriebes und darüber hinaus. Durch technische Aufbereitung, auch in Verbindung mit Biogaserzeugung, bis hin zu einer vollständigen Mineralisierung muss die Verwertung und Verteilung anfallender Nährstoffe weiter optimiert werden.“ Ziel müsse es sein, Wirtschaftsdünger im Idealfall direkt vor Ort zu verwerten oder ihn speicher- und transportfähig zu machen, um ihn leichter dorthin bringen zu können, wo die Böden ihn benötigen.
So unterstützt das Land die zentrale Nährstoffbörse in Nordrhein-Westfalen, fördert die Erforschung von Mini-Biogasanlagen oder neue Techniken zur Aufbereitung der Gülle. Unter anderem entsteht derzeit in Velen eine der modernsten Aufbereitungsanlagen ihrer Art in Europa: Gülle wird in feste und flüssige Bestandteile getrennt und zu handelsfähigen Düngemitteln aufbereitet. Dadurch wird sie geruchsneutral, ist leichter zu transportieren und besser zu dosieren. Die Nährstoffe bleiben enthalten. Die Eröffnung der Anlage ist für Herbst 2018 geplant.
Wie man durch intelligente Lösungen Gewässerschutz und wirtschaftlich rentable Landwirtschaft verbinden kann, zeigt der Betrieb Königs. Obwohl der Betrieb selbst keine Tiere hält, wird in der Biogasanlage des Betriebs aus Wirtschaftsdünger sowie eigenen und zugekauften Feldfrüchten Energie gewonnen. Der größte Teil des Biogases wird auf dem Betrieb aufbereitet und direkt am Hof in das Erdgasnetz der Stadtwerke Neuss eingespeist. Der Gär-Rest wird als hochwertiger Dünger mit emissionsarmer Technik auf den Feldern verteilt.
Dass der Kreislaufgedanke auch seine Grenzen hat, verdeutlicht unter anderem die Debatte um grenzüberschreitende Düngertransporte insbesondere aus den Niederlanden. In der vergangenen Woche hatte Ministerin Schulze Föcking zum Thema Gülleimporte und -exporte unter anderem Gespräche mit der flämischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerin sowie mit der Landwirtschaftsministerin der niederländischen Provinz Nordbrabant geführt.
Weitergehende freiwillige Branchenlösungen angestrebt
In Nordrhein-Westfalen strebt Ministerin Schulze Föcking weitergehende Maßnahmen an und führt Gespräche mit den Branchenverbänden mit dem Ziel einer freiwilligen, aber verbindlichen Vereinbarung. Neue Formen kooperativer Zusammenarbeit werden aktuell diskutiert und konkretisiert. Allen gemein sind jeweils mit den landwirtschaftlichen Betrieben und Stakeholdern vor Ort zu diskutierende angepasste Lösungen. Dabei sollen mögliche Widerstände und Finanzierungsnotwendigkeiten für entsprechende Ansätze ermittelt und aufgelöst werden, um eine pilothafte Umsetzung in Modellregionen zu ermöglichen.
„Wir werden mit der Landwirtschaft weitergehende Maßnahmen vereinbaren“, sagte Schulze Föcking. „Generell setzten wir auf einen kooperativen Weg. Mit Beratung, mit Anreizen, mit Förderung.“ Dass Kooperation besser und effektiver ist als Ordnungsrecht, zeigt das Beispiel der Wasserkooperationen zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft. In Nordrhein-Westfalen arbeiten 11.600 Landwirte und Gärtner in 114 Kooperationen mit 160 Wasserversorgungsunternehmen zusammen. Die Kooperationen werden von mehr als 60 Spezialberatern der Landwirtschaftskammer beraten, die von den Wasserversorgern und vom Land finanziert werden.