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Nov 18, 2015

Westfälische Nachrichten: Christina Schulze Föcking im Interview – „Den Menschen mehr vertrauen“

Kreis Steinfurt/Düsseldorf – Flüchtlingskrise, Integrationszentren, die Folgen des Pariser Terrors, ein Ausblick auf den Landtags-Wahlkampf: Im Interview fasst die CDU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Steinfurt ihre aktuellen politischen Positionen zusammen.

Mit der Landtagsabgeordneten und CDU-Kreisvorsitzenden Christina Schulze Föcking sprach Kreis-Korrespondent Achim Giersberg.

Welche Auswirkungen wird der Terroranschlag in Paris auf die Flüchtlingsdiskussion bei uns haben?

Schulze Föcking: Ich bin erschüttert über das, was sich dort ereignet hat. Mein Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen, den Opfern der feigen Anschläge und dem gesamten französischen Volk. Diese Anschläge sind ein schwerer Schlag gegen unsere Grundwerte. Sie sollen und dürfen aber nicht dazu führen, dass wir eben diese Grundwerte nun zur Seite legen. Unsere Solidarität muss unverändert allen gelten, die Opfer von Anschlägen, Terror und Krieg sind. Das gilt für unsere Freunde in Frankreich gleichermaßen wie für diejenigen, die vor dem Terror des IS zu uns geflohen sind. Einen Generalverdacht gegen Flüchtlinge darf es nicht geben. Allerdings ist es unverzichtbar genau zu wissen, wer sich in unserem Land aufhält. Oberste Priorität hat daher ein geordneteres und sicheres Registrierungsverfahren.

Wie reagiert die Parteibasis auf die Flüchtlingskrise und Angela Merkels Politik? Gibt es Parteiaustritte?

Schulze Föcking: Die CDU ist eine Volkspartei, also alle Stimmungen und Strömungen, die es in der Bevölkerung zu diesem Thema gibt, finden Sie auch in der CDU. Ja, wir haben Austritte, aber auch Eintritte. Viele CDU-Mitglieder und Wähler engagieren sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe oder in Kirchengemeinden. Viele andere kümmern sich kommunalpolitisch, um die Situation zu bewältigen. Zugleich muss der Integrationsprozess bei denen beginnen, die bei uns bleiben werden. Hier sind alle Bereiche der Politik gefordert, beginnend bei den Kindertagesstätten, den Schulen, der Ausbildung bis hin zu den Senioren.

Können wir wirklich so viele Menschen integrieren? Was, wenn der Zustrom von Flüchtlingen anhält?

Schulze Föcking: Ganz konkret geht es jetzt darum, den Menschen Wohnraum zu geben und sie angemessen zu versorgen. Vor allem aber müssen wir die Fluchtursachen beseitigen, so dass die Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive bekommen. Wichtig ist, die humanitäre Situation in den Flüchtlingscamps, z.B. in der Türkei und Jordanien so zu gestalten, dass die Menschen nicht gezwungen sind, nach Europa aufzubrechen. Hier muss ganz Europa helfen. Die Leistungsfähigkeit Deutschlands ist, da sollten wir ehrlich sein, beschränkt. Unsere Kommunen, die die Hauptlast tragen, sind kurz vor dem Punkt, an dem es nicht mehr geht. Daher führen wir aktuell auch die Diskussion um den Familiennachzug. Ich erwarte aber, dass die Mitgliedsstaaten der EU sich ihrer Verantwortung stellen. Europa ist eine Wertegemeinschaft und zu unseren Werten gehört es auch, Menschen Schutz vor Krieg und Verfolgung zu gewähren.

Steckt die EU in der Krise?

Schulze Föcking: Was wir zur Zeit erleben, ist in der Tat keine Sternstunde der EU. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker spricht von einer „grandiosen Leistung“ Deutschlands und fordert die anderen Länder „zum Mitmachen“ auf. Ich kann mich dem nur anschließen. Es wird allerhöchste Zeit. Deutschland wird die Krise alleine nicht in den Griff bekommen.

Stichwort kommunales Integrationszentrum. Kann der Kreis es sich wirklich leisten, das Landesangebot auf Dauer auszuschlagen?

Schulze Föcking: Das Problem ist die starre Haltung der Landesregierung. Vor Ort könnten diese Mittel mit Sicherheit effizienter genutzt werden. Die richtigen praxisnahen Argumente, die auch der Kreis Steinfurt immer wieder in Düsseldorf vorgetragen hat, sind bis jetzt aber leider auf taube Ohren gestoßen. Das ist Ideologie. Ich bin allerdings auf Grund der Größe des Problems der Meinung, dass jetzt pragmatisch entschieden werden sollte. Aus Sicht der CDU ist es jetzt geradezu zwingend, dass das Land seine starre Position verlässt und auch an den Belangen der einzelnen Kreise angepasste Modelle Kommunaler Integrationszentren ermöglicht. Leider ist dies noch immer nicht erkennbar. Der Kreis Steinfurt wird daher ein Integrationskonzept erarbeiten, auf dessen Grundlage der Kreistag dann seine Entscheidung treffen kann wie Integration bestmöglich erreicht werden kann.

Themenwechsel: 2017 wird ein neuer Landtag gewählt. Was werden Themen sein?

Schulze Föcking: Die Wahl ist in 1 ½ Jahren. Bis dahin kann noch viel passieren. Ich für meinen Teil möchte weiter die Arbeit nah am und für die Menschen fortsetzen. Warum, z.B. fällt in der Klasse so viel Unterricht aus? Wie soll die Inklusion stattfinden? Was ist mit den Einbrüchen und der Kriminalität? Wie passt es zusammen, dass die Landesregierung einerseits den Wirtschaftsstandort NRW stärken möchte, anderseits aber teilweise Brücken im Land für LKW gesperrt sind, wichtige Straßen nicht gebaut werden können und viele Menschen selbst auf der Datenautobahn im Stau stehen, weil das Land mit dem Breitbandausbau nicht voran kommt? Wichtig ist mir auch, dass die Benachteiligung des ländlichen Raumes gegenüber den Ballungsgebieten aufhört.

Im Kreis haben sich CDU und Grüne angenähert. Ein Modell auch für NRW?

Schulze Föcking: Mit Blick auf die Politik der Grünen, mit Blick auf das, was ich in den letzten Jahren erlebe, habe ich große Zweifel, dass es da ausreichend Schnittmengen gibt. Wenn ich mir z.B. die Schulpolitik oder die Wirtschaftspolitik der Grünen anschaue, oder ihre Position in der Flüchtlingsproblematik, dann kann ich mir ein Zusammengehen nur schwer vorstellen.

Wo sehen Sie ihre persönliche Zukunft?

Schulze Föcking: Mir macht die Arbeit im Landtag große Freude. Und darüber hinaus ist die Koordination der 16 Bundesländer im Bereich Agrarpolitik und der Vorsitz des Bundesfachausschusses Landwirtschaft und Ländlicher Raum der CDU Deutschlands eine spannende Herausforderung. Hinzu kommt meine Tätigkeit im Bereich der Familienpolitik. Nach Erscheinen des neuen Familienberichtes NRW spüre ich sehr deutlich, dass wir hier noch enormen Handlungsbedarf haben. Grundsätzlich möchte ich weg von einer bevormundenden Politik, die sich einbildet alles besser zu wissen und meint alles verbieten und einschränken zu müssen. Der Gedanke der Freiheit und Eigenverantwortung muss wieder einen neuen Stellenwert erhalten. Wir sollten den Menschen wieder mehr Vertrauen schenken.

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